Deutung und Bedeutung der Inappetenz im medizinischen Denken der AntikeAnorexia Somato-Encephalica
Die Anorexie war den Ärzten der Antike sowohl als Symptom als auch als eigenständige Erkrankung geläufig. Hippokrates sah in ihr noch ein ausschließlich somatisches Krankheitszeichen, das vor allem im Zusammenhang mit Dysenterie und Fieber beobachtet wurde. Rund 500 Jahre später hat Galen von Pergamon die Inappetenz und deren Ursachen und Folgen in 18 seiner Schriften zum Thema gemacht. Er betrachtete sie als potenziell multikausales Phänomen. Über Erkrankungen des Magens und der Leber und die Schwindsucht hinaus sah er auch in psychischen Störungen einen Grund für die Verweigerung der Nahrungsaufnahme. Das weibliche Geschlecht war dabei seiner Erfahrung nach viel häufiger betroffen als die Männer. In eindrucksvollen Kasuistiken schildert der Pergamener die dramatischen Symptome der Patientinnen und bezeichnet dabei die Kombination von Inappetenz und Amenorrhoe als charakteristisch für die mentale Variante der Anorexie.