Pathologische Salienzattribution in der SchizophrenieDie Entdeckung der Bedeutung von Bedeutung
Das Konzept der „aberranten Salienzattribution“ erklärt die Entstehung von psychotischen Symptomen der Schizophrenie damit, dass die Zuordnung von Bedeutsamkeit („Salienz“) zu Gedanken und Sinnesreizen keinen sinnvollen Regeln mehr folgt, sondern quasi chaotisch („aberrant“) ist. Unwichtige Dinge können plötzlich bedeutsam erscheinen. Wahnvorstellungen sind demnach der Versuch des Verstandes, ein kohärentes Weltbild aus Eindrücken und Gedanken zu erzeugen, deren Bedeutung stark verzerrt ist. Ein wichtiger Mechanismus dieser aberranten Salienzattribution ist eine verstärkte Signalwirkung des Botenstoffs Dopamin. In der Entwicklung der Erkrankung erzeugt eine dysregulierte Dopamin-Ausschüttung wiederholt falsche Lernsignale und somit eine „deformierte Struktur“ der Salienzattibution, die zu chronischen Wahnvorstellungen führt. Diese Theorie wurde ursprünglich von Manfred Spitzer in seiner Publikation „A computational approach to delusions“ [2] entwickelt. Sie hat weitreichende Beziehung zu Modellen von implizitem Lernen (v. a. Kurzzeithabituation, Konditionierung und Verstärkungslernen) und hat neue Perspektiven für die Therapie und die systematische Untersuchung der mechanistischen Grundlagen der Symptome der Schizophrenie eröffnet. Solche Studien haben die aberrante Salienzattribution bei Patienten – auch bereits vor Erstdiagnose der Krankheit – auf psychologischer und physiologischer Ebene nachgewiesen.